Bereicherungsanspruch eines Versicherers gegenüber Beteiligten an Frachtvertrag unterliegt der Regelverjährung

OLG Frankfurt, Urteil vom 11.10.2010 – 21 U 56/08

Die Verjährung des Bereicherungsanspruchs eines Versicherers gegenüber dem Beteiligten an einem Frachtvertrag unterliegt nicht der einjährigen frachtrechtlichen Verjährung des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB, sondern der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB (Rn. 27).

Da die Vorschrift des § 439 HGB nicht nur das Vorliegen eines Frachtvertrags voraussetzt, sondern ihrem Wortlaut nach auch an die Beteiligung an einer den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegenden Beförderung anknüpft, kommt es nur im Falle einer solchen Beteiligung nicht auf die Person des Anspruchsinhabers und die Art des Anspruchs an. Denn das dem genannten Unterabschnitt zu entnehmende Haftungssystem stellt ersichtlich auf die Beteiligten des Beförderungsvorgangs ab (Absender, Empfänger, Fracht- und Unterfrachtführer). Auch nach der Begründung zum Entwurf des Transportreformgesetzes vom 25.06.1998 (vgl. BT-Drucksache 13, 8445) war beabsichtigt, einen Gleichklang der vertraglichen Ansprüche mit den konkurrierenden Ansprüchen der am Frachtvertrag Beteiligten herbeizuführen, wohingegen vertragsfremde Dritte nur unter besonderen Voraussetzungen von den Vorschriften des genannten Unterabschnittes (§§ 407 ff HGB) betroffen sein sollen; etwa dann, wenn sie zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche legitimiert sind oder aufgrund ihrer Rechtsstellung ein Interesse an der Beförderung haben (beispielhaft erwähnt die amtliche Begründung den Eigentümer des Frachtguts, vgl. BT-Drucksache 13, 8445, S. 70). Nur wenn der Dritte in dieser Art und Weise von der zugrundeliegenden Beförderung betroffen ist, sieht er sich in gleicher Weise wie die am Frachtvertrag Beteiligten den daraus resultierenden Einwendungen, gegebenenfalls unter den Voraussetzungen des § 434 Abs. 2 HGB, ausgesetzt (Rn. 29).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.05.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 32 C 88/08 – 84, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.621,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

I.

1

Die Klägerin ist Verkehrshaftungsversicherer der Firma X (im Folgenden: X) mit Sitz in Stadt1 und nimmt die Beklagte, bei der es sich um den Warentransportversicherer der Firma Y in Stadt2 handelt, mit der am 07.01.2008 bei Gericht eingegangenen Klage vom 04.01.2008 unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung auf Zahlung von 1.621,82 € nebst Zinsen in Anspruch.

2

Die Firma Y beauftragte die Firma Z (im Folgenden: Z GmbH) in Stadt1 mit dem Transport einer Sendung von Teefilterpapier von Stadt2 über Stadt3 nach Stadt4/Indien, die Z GmbH ihrerseits beauftragte mit der Durchführung des Transportes bis Stadt3 die X GmbH. Letztere verbrachte die in 44 Kartons verpackten Teepapierrollen in den Stadt3 Freihafen; dort wurde am 14.02.2005 festgestellt, dass einzelne Kartons durchfeuchtet waren.

3

Die Firma Y veranlasste, dass die Ware zurück nach Stadt2 verbracht und der Schaden festgestellt wurde; mit der Schadensfeststellung war der als Zeuge benannte Sachverständige Z1 beauftragt, der nach Besichtigung der Kartons am 28.02.2005 einen schriftlichen Schadensbericht erstellte. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schadensbericht vom 30.03.2005 (Bl. 14 ff. der beigezogenen Akten des Amtsgerichts Karlsruhe, Aktenzeichen 2 C 4/07) Bezug genommen.

4

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin wurde nach entsprechender Entschädigungsleistung seitens der A-AG als Vertreterin der Versicherer der Z GmbH mit Schreiben vom 26.01.2006 (Bl. 6 d.A.) auf Zahlung von 4.660,08 € in Anspruch genommen. Die Klägerin lehnte mit Schreiben vom 16.03.2006 (Bl. 7f d.A.) eine Regulierung des geltend gemachten Totalschadens ab und erhob den Einwand des Mitverschuldens, zugleich bot sie eine vergleichsweise Regelung an. Mit E-Mail vom 27.03.2006 (Bl. 9 d.A.) kündigte die Klägerin eine Zahlung von 1.621,82 € an und wies darauf hin, dass dieser Betrag allein zur Vermeidung einer Klage, unter dem Vorbehalt der Rückforderung, zur Verfügung gestellt werde, ein Anerkenntnis sei damit nicht verbunden. Die Zahlung des Betrages veranlasste die Klägerin nach eigenen Angaben im März 2006, nach Angaben der Beklagten im Mai 2006.

5

Die Beklagte wiederum erhob unter dem Datum des 10.04.2006 gegen die Z GmbH Klage auf Zahlung des überschießenden Betrages in Höhe von 3.038,26 € zuzüglich Zinsen; die Z GmbH verkündete der Versicherungsnehmerin der Klägerin – der X GmbH- den Streit, die dem Rechtsstreit auf Seiten der dortigen Beklagten beitrat. Mit Urteil vom 31.08.2007, Az. 2 C 4/07, hat das Amtsgericht Karlsruhe die Klage nach Beweiserhebung unter anderem durch Vernehmung des Zeugen Z1 abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen (Bl. 500ff der beigezogenen Akten).

6

Mit Schreiben vom 05.11.2007 nahm die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 21.11.2007 erfolglos auf Rückzahlung des Betrages von 1.621,82 € in Anspruch, dieses Begehren verfolgt sie im vorliegenden Rechtsstreit weiter.

7

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

8

Die Klägerin ist der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch sei nicht verjährt, da nicht die frachtrechtliche Verjährung des § 439 Abs. 1 HGB Geltung beanspruche, sondern die allgemeine Verjährungsregel des § 195 BGB, da die Klägerin nicht Beteiligte des Frachtvertrages sei. Da bereits aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe eine Haftung der X GmbH ausgeschlossen sei, habe die Beklagte die Zahlung der Klägerin rechtsgrundlos erlangt.

9

Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, der Anspruch sei verjährt, im Übrigen habe die Klägerin ausweislich der E-Mail vom 27.03.2006 in Kenntnis der fehlenden Zahlungsverpflichtung geleistet.

10

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 27.05.2008, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 114ff d.A.), die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt (§ 439 HGB), da für Ansprüche aus einer Beförderung im Sinne der §§ 407ff HGB die einjährige frachtrechtliche Verjährungsfrist gelte und aufgrund der Ablieferung des Frachtgutes im Februar 2005 vor Klageerhebung bereits Verjährung eingetreten sei. Im Übrigen sei die Klägerin auch mit dem geltend gemachten Anspruch gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, da sie ausweislich der E-Mail vom 27.03.2006 in Kenntnis der nicht bestehenden Schuld geleistet habe.

11

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer zum Oberlandesgericht erhobenen Berufung, bezüglich deren Zulässigkeit sie einen Handelsregisterauszug betreffend die Beklagte vorgelegt hat, wonach diese ihren Sitz in Stadt5/Schweiz hat. Mit der Berufung macht die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, entgegen der angefochtenen Entscheidung sei keine Verjährung eingetreten. Die Klägerin habe auch nicht in Kenntnis der Nichtschuld geleistet, sondern sei lediglich unsicher gewesen, ob die Beklagte einen Schadensnachweis in ausreichendem Maße geführt habe. Ein Vergleich mit dem Inhalt der E-Mail vom 27.03.2006 sei schon deshalb nicht zu Stande gekommen, weil die Beklagte widersprochen habe. Die Klägerin behauptet ergänzend, die Teepapierfilter-Rollen seien nicht von Feuchtigkeit betroffen gewesen, ein Nässeschaden könne ausgeschlossen werden (Beweis: Zeugnis Z1; Einholung eines Sachverständigengutachtens).

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27.05.2008, Aktenzeichen 32 C 88/08-84, zu verurteilen, an die Klägerin 1.621,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.11.2007 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und trägt bezüglich der Zulässigkeit der Berufung vor, die Beklagte unterhalte im Inland eine Niederlassung.

17

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird unter Abstandnahme von einer weitergehenden Darstellung ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

18

A. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht zum Oberlandesgericht erhoben (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG [in der bis 31.08.2009 geltenden Fassung]), da die Beklagte im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Inland hatte. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem von der Klägerin vorgelegten und von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Handelsregisterauszug, wonach die Beklagte in Stadt6 eine Zweigniederlassung unterhält, ihren Sitz dagegen in Stadt5/Schweiz hat. Zwar kann die Beklagte als Kaufmann grundsätzlich am Sitz ihrer Zweigniederlassung verklagt werden, jedoch sagt weder dieser Umstand noch die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister für sich genommen etwas über die rechtliche Selbstständigkeit der Zweigniederlassung aus (vgl. § 13 HGB; BGH NJW 2003, 1672; 1998, 1322). Auch der besondere Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO) führt nicht zur Begründung einer landgerichtlichen Zuständigkeit für das Berufungsverfahren, vielmehr ist bei Vorhandensein einer deutschen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens eine solche Zuständigkeit nur anzunehmen, wenn es sich bei der (Zweig-)Niederlassung um eine selbstständige Tochtergesellschaft in der Form einer deutschen juristischen Person handelt (vgl. OLG Celle NJW-RR 2004, 1411; Zöller-Lückemann, ZPO, 27. Auflage, § 119 GVG Rn. 15). Da diese Voraussetzung ersichtlich nicht vorliegt und selbst die Beklagte nicht vorträgt, dass ihre Verwaltung insgesamt ausschließlich von der Niederlassung in Deutschland aus geführt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27.06.2007, Az. XII ZB 114/06), fehlt es an einem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten im Inland, so dass die Berufung in zulässiger Weise zum Oberlandesgericht erhoben ist.

19

B. Die Berufung ist auch begründet, der Klägerin steht gegen die Beklagte eine bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Zahlung von 1.621,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.11.2007 zu.

20

1. Bei der seitens der Klägerin als Verkehrshaftungsversicherung der X GmbH erbrachten Zahlung in Höhe von 1.621,82 € handelt sich um eine Leistung der Klägerin im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB an die Beklagte als Transportversicherer der Firma Y. Mit dieser Zahlung beabsichtigte die Klägerin eine vermeintliche Haftpflichtschuld der X-GmbH gegenüber der Firma Y beziehungsweise der Beklagten als deren Transportversicherer zu erbringen. Zu dieser Freistellung ihrer Versicherungsnehmerin glaubte sich die Klägerin aufgrund des fehlerfreien Deckungsverhältnisses (Versicherungsvertrag) verpflichtet. In solchen Fällen ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Haftpflichtversicherung nicht auf eigene Schuld, sondern auf eine Schuld ihrer Versicherungsnehmerin leistet (vgl. BGHZ 113, 62, Rn. 12). Die Annahme einer davon abweichenden Leistung auf eigene Schuld der Klägerin kommt nur ausnahmsweise in Betracht, etwa wenn eine – hier nicht gegebene – Verpflichtung aufgrund eines Direktanspruchs gemäß Pflichtversicherungsgesetz besteht oder die Klägerin sich selbst im Rahmen eines Vergleichs zu einer derartigen Leistung verpflichtete (vgl. BGH a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend allerdings nicht gegeben.

21

Ein Vergleich der Parteien über die erbrachte Leistung liegt ersichtlich nicht vor. Denn als Vergleichsangebot im Sinne des § 779 BGB käme allenfalls die E-Mail der Klägerin vom 27.03.2006 in Betracht, die jedoch erkennbar nicht auf Abschluss eines derartigen Vergleichs gerichtet war. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der E-Mail, wonach der avisierte Betrag allein zur Vermeidung einer Klage, unter dem Vorbehalt der Rückforderung, zur Verfügung gestellt werde und ein Anerkenntnis damit nicht verbunden sei. Bereits der Vorbehalt der Rückforderung macht deutlich, dass die Klägerin keine abschließende einvernehmliche Regelung anstrebte, um den Streit oder die Ungewissheit der Parteien über das Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen, sondern vielmehr mit der Zahlung unabhängig von Erklärungen der Beklagten allein das Risiko einer gerichtlichen Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin minimieren wollte. Selbst wann man insoweit anderer Auffassung sein wollte, fehlt es an einer – auch nur konkludenten – Annahme dieses Vergleichsangebots durch die Beklagte, da sie zwar die Teilleistung in der Folgezeit nicht zurückgewiesen, andererseits aber entgegen der – bei einem Vergleich zustimmungsbedürftigen- Vorgabe der Klägerin weitergehende Ansprüche mit der vor dem Amtsgericht Karlsruhe erhobenen Klage gegen die Z-GmbH geltend gemacht und damit auch die sich später realisierende Möglichkeit der Streitverkündung gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin eröffnet hat. Darüber hinaus hat die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung vom 25.02.2008 (Bl. 58ff d.A.) selbst vorgetragen, sie habe zu jeder Zeit „unmissverständlich klargemacht, dass sie die Zahlung lediglich als Anzahlung betrachte“ und keinerlei Erklärungen dazu abgegeben, dass sie das Angebot der Klägerin akzeptiere.

22

Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Klägerin die Zahlung auf Anweisung der X-GmbH erbracht hat, vom Vorliegen eines sogenannten Anweisungsfalles, der in bereicherungsrechtliche Hinsicht eine Qualifikation der Zahlung als Leistung der X-GmbH nach sich zöge, kann daher nicht ausgegangen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Versicherungsnehmerin der Klägerin im Rahmen der Meldung des Schadensfalls zum Ausdruck gebracht haben sollte, das geltend gemachte Schadenersatzverlangen sei berechtigt -wofür es ebenfalls ein Vortrag fehlt. Denn darin liegt keine Anweisung, die der Verkehrshaftungsversicherer zu befolgen hätte. Vielmehr prüft dieser in eigener Verantwortung auf der Grundlage des Versicherungsvertrags (Deckungsverhältnis) die Berechtigung der Forderung und zahlt im Zweifel auf die Schuld seiner Versicherungsnehmerin (vgl. BGHZ 113, 62).

23

2. Die Beklagte hat die Leistung in Höhe von 1.621,82 € ohne rechtlichen Grund erlangt, da ihrer Versicherungsnehmerin und damit auch der Beklagten selbst aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG [in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung]) kein Schadensersatzanspruch gegen die Versicherungsnehmerin der Klägerin zustand. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits aus der Rechtskraft- bzw. Interventionswirkung des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe vom 31.08.2007 folgt, woran Zweifel bestehen, da die Klägerin nicht Beteiligte oder Rechtsnachfolgerin eines der Beteiligten dieses Rechtsstreits war. Denn jedenfalls folgt zur Überzeugung des Senats aus den im Einvernehmen mit den Parteien urkundsbeweislich zu verwertenden Angaben des seitens des Amtsgerichts Karlsruhe vernommenen Zeugen Z1 vom 03.08.2007 (Bl. 479 ff der beigezogenen Akten), dass zwar einige der Kartons, in denen sich das zu transportierende Teefilterpapier befand, Feuchtigkeitsspuren aufwiesen, nicht aber das Teefilterpapier selbst. Der Zeuge vermochte vielmehr zum Zeitpunkt der Besichtigung am 28.02.2005 nach seinen Angaben keine konkreten Anhaltspunkte dafür festzustellen, dass auch das Teefilterpapier zuvor von Feuchtigkeit betroffen war. Der demgegenüber seitens des Zeugen im Schadensbericht vom 30.03.2005 erfolgten Angabe, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch innerhalb der Folienbeutel –in denen sich das Filterpapier befand- Feuchtigkeit gebildet habe, kommt daher keine Bedeutung zu. Nach Überzeugung des Senats fehlt es damit an einem feststellbaren Schadenseintritt anlässlich der Anlieferung des Transportguts am 14.2.2005, der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht. Im Übrigen fehlt es für ein Sachverständigengutachten auch an der notwendigen Grundlage, da bereits das Amtsgericht Karlsruhe festgestellt hat, dass die Teefilterpapierrollen nicht mehr vorhanden sind und zudem heute – nach mehreren Jahren – keine sachverständigen Feststellungen mehr erwartet werden können, die eine zwingende Schlussfolgerung im Sinne eines ausschließlich auf eine Feuchtigkeitseinwirkung im Februar 2005 zurückzuführenden Schadenseintritt zulassen.

24

3. Nach alledem liegen die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Da ein Anweisungsfall nicht gegeben ist (siehe oben 1.), vollzieht sich der bereicherungsrechtliche Ausgleich nicht nach den für die Anweisungsfälle entwickelten Regeln, sondern nach denen, die für die davon abweichende Fallgruppe der so genannten Drittzahlung (Leistung durch einen Dritten) gelten (vgl. BGHZ 113, 62). Denn eine solche Drittzahlung im Sinne des § 267 BGB liegt auch dann vor, wenn derjenige, der auf eine fremde Verbindlichkeit leistet, dem Schuldner dazu verpflichtet zu sein glaubt. Gerade ein Haftpflichtversicherer leistet in diesen Fällen, wenn auch in Erfüllung seiner aus dem Deckungsverhältnis resultierenden Freistellungspflicht gegenüber dem eigenen Versicherungsnehmer, auf die Valutaschuld und tilgt damit regelmäßig eine fremde Schuld (vgl. BGH a.a.O., NJW 1970, 134).

25

Bestand jedoch die zu tilgende Verbindlichkeit -wie vorliegend- nicht und kann nicht festgestellt werden, dass der vermeintliche Schuldner der Schadensersatzforderung den Zahlenden zur Leistung veranlasst hat, kann der Zahlende direkt vom sogenannten Scheingläubiger kondizieren, so dass die Klägerin von der Beklagten Zahlung in geltend gemachter Höhe verlangen kann.

26

4. Dem Bereicherungsanspruch der Klägerin steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch § 814 BGB nicht entgegen, wonach das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistete dann nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Denn dieser Kondiktionsausschluss beansprucht erst dann Geltung, wenn die Klägerin als Leistende zum Zeitpunkt der Leistung nicht nur sämtliche Umstände kannte, aus denen sich ihre fehlende Leistungsverpflichtungen ergab, sondern auch positive Kenntnis davon hatte, dass sie nach der Rechtslage nichts schuldete (st. Rechtsprechung, vgl. BGHZ 113, 62). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht festzustellen. Denn ausweislich der der Zahlung zu Grunde liegenden E-Mail vom 27.03.2006 und dem vorhergehenden Schreiben vom 16.03.2006 ging die Klägerin keineswegs davon aus, unter keinem Gesichtspunkt zur Zahlung verpflichtet zu sein. Vielmehr ist den Ausführungen zu entnehmen, dass der Teilleistung der Klägerin zum einen die Annahme eines Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin der Beklagten und zum anderen der fehlenden Nachweis eines Totalschadens zu Grunde lag. Dies beinhaltet zugleich die einer Anwendung des § 814 BGB entgegenstehenden Annahme der Haftung dem Grunde nach, wenn auch in ungewisser Höhe.

27

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Verjährung des Bereicherungsanspruchs der Klägerin nicht eingetretenen, da dieser Anspruch nicht der einjährigen frachtrechtlichen Verjährung des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB unterliegt, sondern der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB, so dass mit der Klageerhebung im Januar 2008 (Zustellung der Klageschrift am 31.01.2008) rechtzeitig eine Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) eingetreten ist.

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a. § 439 HGB als lex specialis gegenüber § 195 BGB findet keine Anwendung, da der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift bezüglich der Klägerin nicht eröffnet ist. Zwar ist der Anwendungsbereich der Vorschrift bewusst weit formuliert ist und erfasst grundsätzlich sämtliche Ansprüche aus einer dem ersten Unterabschnitt (§§ 407 bis 449 HGB) unterliegenden Beförderung, gleichgültig ob es sich um Ansprüche des Frachtführers, des Absenders oder des Empfängers des Transportgutes handelt und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Transportrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 13/8445, S. 77; BGH TranspR 2008, 84; 2006, 74; Koller, Transportrecht, 7. Aufl., § 439 Rn. 2f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Schaffert, HGB, 2. Aufl., § 439 Rn. 2). Soweit es die Beteiligten des Frachtvertrages und des Beförderungsvorgangs betrifft, werden alle vertraglichen und konkurrierenden außervertraglichen Ansprüche, die mit der Güterbeförderung in einem sachlichen und unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. BGH TranspR 2010, 225; 2008, 84; 1990, 418 m.w.N; Koller, a.a.O., § 439 HGB Rn. 2 m.w.N.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Schaffert, HGB, 2. Aufl., § 439 Rn. 4), von der Verjährungsregelung erfasst, insbesondere auch bereicherungsrechtliche Ansprüche (vgl. BGH TranspR 1990, 418), soweit das Bestehen eines Rechtsgrundes aus dem Frachtvertrag zu prüfen ist, wie etwa im Fall überzahlter Fracht (vgl. BGH NJW 1972, 1003 für den Anwendungsbereich des Art. 32 CMR) oder zu Unrecht erbrachter Ersatzleistungen (vgl. LG Lübeck TranspR 2001, 171).

29

Da die Vorschrift des § 439 HGB nicht nur das Vorliegen eines Frachtvertrags voraussetzt, sondern ihrem Wortlaut nach auch an die Beteiligung an einer den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegenden Beförderung anknüpft, kommt es nur im Falle einer solchen Beteiligung nicht auf die Person des Anspruchsinhabers und die Art des Anspruchs an. Denn das dem genannten Unterabschnitt zu entnehmende Haftungssystem stellt ersichtlich auf die Beteiligten des Beförderungsvorgangs ab (Absender, Empfänger, Fracht- und Unterfrachtführer). Auch nach der Begründung zum Entwurf des Transportreformgesetzes vom 25.06.1998 (vgl. BT-Drucksache 13, 8445) war beabsichtigt, einen Gleichklang der vertraglichen Ansprüche mit den konkurrierenden Ansprüchen der am Frachtvertrag Beteiligten herbeizuführen, wohingegen vertragsfremde Dritte nur unter besonderen Voraussetzungen von den Vorschriften des genannten Unterabschnittes (§§ 407 ff HGB) betroffen sein sollen; etwa dann, wenn sie zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche legitimiert sind oder aufgrund ihrer Rechtsstellung ein Interesse an der Beförderung haben (beispielhaft erwähnt die amtliche Begründung den Eigentümer des Frachtguts, vgl. BT-Drucksache 13, 8445, S. 70). Nur wenn der Dritte in dieser Art und Weise von der zugrundeliegenden Beförderung betroffen ist, sieht er sich in gleicher Weise wie die am Frachtvertrag Beteiligten den daraus resultierenden Einwendungen, gegebenenfalls unter den Voraussetzungen des § 434 Abs. 2 HGB, ausgesetzt.

30

Soweit es allerdings die Ansprüche Dritter betrifft, die weder am Frachtvertrag noch am Beförderungsvorgang beteiligt sind und denen gegenüber auch die Ausdehnung der Haftungsbegrenzungen nach § 434 Abs. 2 HGB, zu denen auch die Verjährungsregel des § 439 Abs. 1 HGB zu rechnen ist (vgl. Fremuth-Thume, Transportrecht, § 434 Rn. 1) keine Geltung beansprucht, bestimmt sich die Verjährung nach allgemeinen Regeln (vgl. Koller, a.a.O., § 439 Rn. 13b; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Schaffert, a.a.O., § 439 Rn. 2).

31

Vorliegend ist die Klägerin als Verkehrshaftungsversicherung weder am Frachtvertrag noch am Beförderungsvorgang beteiligt, ebenso wenig ist sie zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche legitimiert oder einem Direktanspruch eines Beteiligten ausgesetzt. Soweit die Beklagte diesbezüglich auf die Vorschrift des § 115 VVG (n.F.) abstellt, kann dahin stehen, ob deren Voraussetzungen vorliegen, da auf den vorliegend zugrunde liegenden Versicherungsfall das VVG in der bis 31.12. 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG).

32

Ebenso wenig ist die Klägerin von der Ausdehnung der Haftungsbegrenzungen im Sinne des § 434 Abs. 2 HGB betroffen, da sie zum einen bereits keinen Anspruch im Sinne dieser Vorschrift geltend macht und zum anderen die Rechtfertigung für die dort normierte Haftungsbegrenzung ihr gegenüber keine Geltung beansprucht. Denn die Ausdehnung der Haftungsbegrenzung bei Ansprüchen wegen Verlust oder Beschädigung des Transportgutes findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Inhabern solcher Ansprüche häufig – etwa als Eigentümer des Transportguts oder Veranlasser der Beförderung- an der Durchführung der Beförderung ein Interesse haben und damit von der frachtrechtlichen Beziehung profitieren (vgl. Müglich, Das neue Transportrecht, § 434 HGB, Rn. 4), woran es bezüglich der Klägerin erkennbar fehlt.

33

b. Für den von der Klägerin geltend gemachten Bereicherungsanspruch gilt auch nicht etwa im Hinblick auf die erfolgte Leistung auf fremde Schuld die kurze Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB. Zwar ist im Fall der sogenannten Drittleistung auf fremde Schuld für den Bereicherungsanspruch, der aus der Tilgung der Schuld erwächst, grundsätzlich die für die getilgte Schuld geltende, gegenüber der Regelverjährung nach § 195 BGB möglicherweise kürzere Verjährungsfrist maßgeblich (vgl. BGH NJW 2000, 3492, BGHZ 70, 389; 89, 82), weil der Schuldner der getilgten Forderung im Umfang der Leistung von einer Verbindlichkeit befreit wird und der Bereicherungsanspruch ihn nicht stärker belasten soll als die ursprüngliche Schuld. Vorliegend würde dies für den Fall einer Geltendmachung des Anspruchs gegen die Versicherungsnehmerin der Klägerin Geltung beanspruchen, soweit diese durch die Leistung der Klägerin von einem frachtrechtlichen Schadensersatzanspruch befreit worden wäre. Der Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist demgegenüber schon deshalb nicht aus der Tilgung einer fremden Schuld erwachsen, weil die Bereicherung der Beklagten nicht in der Befreiung von einer Verbindlichkeit besteht, sondern im Erhalt einer nicht gerechtfertigten Ersatzleistung.

34

6. Die zugesprochene Zinsforderung ist im Hinblick auf das Schreiben vom 05.11.2007 unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB).

35

7. Da die Beklagte im Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

36

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

37

Veranlassung zur Zulassung der Revision bestand nicht, da die Entscheidung aus der Anwendung der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs folgt, der Sache eine grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts veranlasst ist (§ 543 ZPO).

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